Interview mit Leon Gurvitch Teil 3: Konzerte & Einblicke Auf Einem Blick

Interview mit Leon Gurvitch. Im letzten Teil seiner Interviewreihe kommt auch Ehefrau Irina ins Gespräch und weitere Einblicke in seine Hintergründe.

Leon Gurvitch und das Plakat zu "der flüchtige Augenblick"
©2025 Johanna Karajan

Russische Musiker sowie Musiklehrkräfte sind eher dafür bekannt, der klassischen „alten Schule“ zu folgen. Siehst du dich in der Hinsicht auch als Revolutionär?

Ich fühle mich weder der alten Schule zugehörig noch sehe ich mich als Revolutionär. Ich modernisiere Bach nicht, sondern bearbeite einige Stücke. Modernisieren wäre, wenn ich beispielsweise eine Rockband auf die Bühne stelle und sage „wir machen jetzt einen Bach in Rock oder Pop“. Selbst das wurde schon einige Male gemacht. Ich bewege mich zwischen zwei Welten: Ich bin Komponist und Pianist. Wenn ich Komponist bin, spiele ich eigene Werke. Wenn ich Pianist bin, dann denke ich als u.a. als Komponist, wie ich die Werke anderer Komponisten interpretieren kann, damit es sich anders anhört. Eine Bearbeitung verlangt schon eine ganz andere Fähigkeit als nur Pianist zu sein. Du musst schon in der Lage sein, wie bei einem Chor, diese ganze Harmonie, diese ganze Führung auf das Klavier zu übertragen und das ist schon ein bisschen was anderes. Ein anderes beliebtes Beispiel ist Bach und Jazz von Jacques Loussier. Aber selbst das ist schon Vergangenheit, was schon tausend Mal gehört wurde.
Zu der Frage mit der klassischen alten Schule. Das trifft nicht mehr so zu, weil viele russische oder russischsprachige Lehrer bereits ausgewandert sind und längst im Westen oder in Amerika Fuß gefasst haben, selbst in China auch. Diese geschlossene alte Schule ist nicht mehr da. Was da an Rest vielleicht noch geblieben ist, ist diese Erziehung. Das unterscheidet sich ein bisschen von einem westlichen Lehrer, dass russische Lehrer etwas strenger sind und mehr verlangen. Ich weiß nicht, ob das unbedingt eine alte Schule ist, aber ich denke diese Vorurteile von vor 30, 40 Jahren sind längst vorbei.  

Du hast bereits namhafte Konzerthallen auf deiner Vita. Geht die Reise noch weiter? Vielleicht Italien, Frankreich, Österreich oder zur Semperoper nach Dresden?

Zur Semperoper noch nicht, aber ich war im Gewandhaus in Leipzig mit einem Konzert. Das war eine Premiere meiner eigenen Heine-Liedern “Träumereien” vor ein paar Jahren. Nun kommt noch ein Solo Piano Konzert in Wien am 11. Mai in Ehrbarsaal mit der Präsentation von meiner neuen Musik-CD ‚Musique Melancholique‘, was 2024 erschienen ist…

Irina: …und in der ausverkauften Elbphilharmonie Premiere gefeiert hat im letzten Jahr.

Leon: In Frankreich habe ich immer wieder gespielt, da gibt es ein Festival. Seit 14 Jahren spiele ich einmal im Jahr in Paris und in Italien kommt bald vermutlich eine produktive Zusammenarbeit in Mailand. Im letzten Jahr war ich nach Spanien mit Konzerten in Málaga und Barcelona eingeladen.

Irina: Und dann gibt es wieder etwas in New York…

Leon: Ja.

Irina: Vor der Pandemie ist Leon dort sehr aktiv gewesen, nicht nur in der Carnegie Hall, sondern auch bei der Tribeca Film Festivaleröffnung 2019 valeröffnung 2019, wo ein Film gezeigt wurde, zu dem Leon ein Soundtrack zum Film „Noah Land“ geschrieben hat. Wegen der Pandemie war leider nicht so viel los und jetzt stehen zum Glück bald wieder ein paar Konzerte in New York an.

Leon und Irina Gurvitch Seite an Seite
Immer Seite an Seite: Leon Gurvitch mit seiner Ehefrau Irina. ©2025 Johanna Karajan

Ein Virtuose zu sein oder die Virtuosität bezeichnet die technische Vollendung seines Handwerks durch viel Übung, Hingabe und Zeit. Außerdem hast du erzählt, dass du viel reist und eine strenge musikalische Ausbildung hinter dir hast. Wie passt da noch ein Privatleben rein? Du bist verheiratet mit Irina, die du in frühen Jahren kennengelernt hast. Wie vereinbart sich das Leben eines musikalischen Virtuosen mit einem Privatleben?

Da muss man auch ein Virtuose sein, um das alles zu meistern. Ich glaube das ist eine gute Mischung aus Hingabe und dass man in unserer Familie auch weiß, dass es Zeiten gibt, in denen ich mich ausschließlich der Musik widmen kann. Irina reist mit mir auch auf viele Konzerte und Festivals mit. Also es ergibt sich immer wieder, dass wir eine Lösung finden (wendet sich an seine Frau, Anm. d. Redakteurin). Willst du dazu auch noch etwas sagen?

Du hattest eingangs erzählt, dass du für ihn die PR und das Marketing machst…

Irina: Ich unterstütze Leon so viel ich kann. Mache das natürlich mit Herz und Blut. Wir sagen immer, hinter jedem starken Mann steckt eine starke Frau und das leben wir. Wir ergänzen uns gegenseitig und mein Mann kann auf mich zählen, damit er sich mehr der Musik, seiner Berufung widmen kann und seine Kreativität ausleben kann. Ich kann ihm dann wiederum die bodenständigen Aufgaben von seinen Schultern nehmen und ihn dabei unterstützen. Ich glaube, das ist diese Virtuosität, die wir beide ein Stück weit an den Tag legen müssen, damit alles funktioniert.

Leon: Wobei so abgefahren bin ich auch nicht. Irina unterstützt mich sehr viel, wir planen gemeinsam Konzerte und Projekte und ich glaube Irina versteht mittlerweile mehr als ich in der ganzen Musikmaterie.

…weil sie eher das theoretische und administrative macht?

Ja, weil es um Geschmack und Kenntnisse geht. Das verlangt schon sehr viele Jahre an Erfahrung, dass man sagt, darauf kannst du vertrauen. Man braucht in der Musik viel Übung und Hingabe.

Irina: …und Harmonie.

Ich bedanke mich für das wunderbare Interview. Die nächsten Konzerte von Leon Gurvitch werden aufgelistet:

Sa. 26.04.2025, 20:00h – Laeiszhalle, Solo-Piano Konzert „Bachomania“ zum 340.Ge-burtstag von Johann Sebastian Bach

https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/leon-gurvitch-bachomania/23017

Mi. 07.05.2025, 20:00h – Kammeroper Charms, [Event-Tipp hier] Theater Lübeck, Kammerspiele https://www.theaterluebeck.de/produktionen/kammeroper-charms-von-leon-gurvitch_2024-25.html

Fr. 16.05.2025, 20:00h – Elbphilharmonie, Großer Saal, Hamburger Kammerballett / Leon Gurvitch Ensemble, »Kintsugi« und »Silentium« – Ballette von Edvin Revazov / Musik von Leon Gurvitch https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/hamburger-kammerballett-leon-gurvitch-ensemble/23635

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